…als Deutschland noch ein Kaisserreich war…
 
 
 
Im Jahr 1888 schrieb Lehrer Bettenworth in die Chronik:
 
 

An der langwierigen und bösartigen Krankheit des Ritterlichen Kronprinzen (unseres jetzigen Kaisers) nehmen alle innigen Anteil. Nicht einmal, nein – wohl 10 und 20 mal wurde ich im (am) Tage nach dem Befinden unseres teuren „Fritz“ gefragt. Den Schulkindern wurden täglich Mitteilungen in der Schule gemacht und dann gemeinschaftlich für die Gesundheit des Kronprinzen gebetet. Tiefgebeugt vernahmen wir dann die Trauerkunde von dem Ableben des unvergesslichen Kaisers Wilhelm I. in dieser verhängnisvollen und sorgenschweren Zeit für das kaiserliche Haus und sein deutsches Volk. Den (der) Tag, den wir auch in dieser Gemeinde so oft mit Freude begrüßt haben, musste in diesem verhängnisvollen Jahre zum Trauer- und Gedächtnistage für den geliebten Entschlafenen gemacht werden. In der Stille haben wir des hochseligen Königs Wilhelm I. noch einmal in feierlicher Stunde gedacht, um noch einmal sein Leben voll Sorgen und Mühen, seine glorreichen Thaten uns im Geiste vorzuführen. – Im Verlaufe des Winters ist dann noch zu erwähnen, daß im April 1888 der Herr Kreisschulinspektor Dr. Grafse-Bohle in hiesiger Schule prüfte und dauerte diese Revision von morgens 9 bis mittags 12 Uhr. -  Das neue Schuljahr begann mit dem 5. April d. J. Das Interesse für den im Süden weilenden Kronprinzen (Friedrich III.), nunmehrigen Kaiser von Deutschland steigerte sich mit jedem Tage. Besonders die Nachrichten der letzten Lebenstage des Monarchen wurden mit Spannung erwartet. Erschütternd wirkte dann die letzte traurige Nachricht von dem Hinscheiden des geliebten Monarchen. Der 15. Juni des laufenden Jahres wird daher auch in hiesiger Gemeinde unvergeßlich bleiben. Laut Verfügung kgl. Regierung wurde das Gedächtnis an den hohen Entschlafenen wie in allen Schulen der Monarchie, so auch hier am 30. Juni in stiller, einer der Bedeutung des Tages entsprechenden Weise gefeiert. Selbige Feier begann mit Absingung des Chorals Nr. 349 aus „Sursum Corda“. Darauf hielt der Lehrer eine Ansprache an die Kinder, in welcher besonders hervorgehoben wurde das kaiserliche Vorbild für den Soldaten als ein unerschrockener Sieger auf dem Schlachtfelde. Es wurde den Kindern mitgeteilt, welch ein königlicher Dulder Kaiser Friedrich während seiner langen, schweren Krankheit gewesen ist, welch ein hehres Beispiel er dadurch besonders der leidenden Menschheit gegeben hat. Auch wurde ihnen der Verlauf der Krankheit mitgeteilt. Die in aller Stille vollzogene Feier wurde beschlossen durch Gesang und Gebet Nr. 351.

 

Und nachdem am 01. November 1888 der Lehrer Wilhelm Oeke die Lehrerstelle von Kühlsen übernommen hatte, schrieb dieser:

Am 1. November 1888 wurde Schreiber dieses (gemeint ist „… wurde der Schreiber dieser Zeilen“), F. Wilhelm Oeke aus Neuenheerse, definitiv nach hier versetzt. Nach einer einjährigen Thätigkeit in der öden Senne ist der Aufenthalt in diesem stillen Waldthal ein täglich neu empfundener Genuß.

Die Gedächtnisfeier für die beiden verstorbenen Monarchen Kaiser Wilhelm I. und Kaiser Friedrich III. fanden an den betreffenden Sterbetagen, also am 9. März und am 15. Juni 1889 statt. Letzterer Tag gab Gelegenheit, auf unsern jetzt regierenden Monarchen hinzuweisen, dessen 1. Geburtstagsfeier als Kaiser wir am 27. Januar d. J. festlich begangen, und der nun schon ein Jahr mit starker Hand die Zügel der Regierung des mächtigsten Reiches der Welt geführt hat.

 

…als die Kirche neue Fenster bekam…

Am Gründonnerstage, dem 30. März 1893 erhielt unser Kapellchen 3 neue Glasfenster mit farbigen Einsätzen aus der Hand des Malers Brinkmann in Paderborn, der die Besorgung übernommen hatte. Der Preis beträgt ca. 200 Mark. Das eine mit hellen Rautenscheiben und ganz aus Schmiedeeisen angefertigt, ist von Schlosser Hubert Wiechers, genannt Lustig, in Dringenberg (1890) gemacht und kostet allein über 80 Mark.

Spätere Anmerkung zum Kaufpreis: „190 M nach Abzug von 10 M für mangelhafte Ausführung.“)

 

…als die 3 Stiftsdörfer das 300-jährige Jubiläum der Schützenbruderschaften feierten…

Juni 1893

Am Ende des schönen Maienmondes ist für unsern Pfarrort Neuenheerse eine seltene Feierlichkeit zu verzeichnen, an der auch die Einwohner von Kühlsen sich mehrfach beteiligten, nämlich das 300 jährige Jubiläum der Neuenheerser St. Sebastians- Schützengesellschaft. Weil von Alters her die Schützen von Neuen-, Altenheerse und Kühlsen in Waffenbrüderschaft gestanden, so beteiligten sich die Einwohner aller drei Ortschaften gemeinsam an der Feier, obgleich die hiesige Schützengilde, vielleicht aus Mangel an Beteiligung, längst eingegangen ist.

Den Glanz- und Hauptpunkt der Feier am 28. Mai bildete der Zug durch das „Wibbold“ Heerse. Die Altenheerser, durch Kühlsen marschierend, hatten unsere Schützen mitgenommen; unter Trommel- und Pfeifenklang ging es den Kirchberg hinan, den Steinberg hinunter frisch u. fröhlich in N. hinein.

Die Schützenbrüder hatten sich auf dem Freiplatz an der Südseite der Kirche versammelt und aufgestellt. Von da setzte sich der Zug durch die Hauptstraßen in Bewegung. Es war darunter auch eine historische Gruppe mit vorausreitendem Herold, den ein gewisser Anton Wienold, gebürtig aus Neuenheerse, darstellte. Die Costume hatte man aus Duisburg entliehen. Viel Volk aus der Umgegend war herbeigeströmt, teils um zu schauen, teils um an dem nun folgenden Tanzvergnügen teilzunehmen. Zu diesem Behute (Schutz) war im Garten des Wirtes Wiederhold ein großes Zelt erbaut. Nachdem der Zug und die Gäste hierin angelangt, stellte sich der Maurermeister Schmitz auf einen Stuhl und verlas die Festrede, die laut Programmblätter vom kleinen Kirchhofe herab hätte gehalten werden sollen, besagter Herr hatte aber im letzten Augenblick das Angst- und Scheufieber bekommen. Ich lasse einen Abschnitt der Rede hierunter folgen:

Der ganze Glanz der alten Schützengilde ist mit der Herrlichkeit des Stiftes zu Grabe getragen. Bei der Aufhebung des Letzten (also des Stiftes) lockerten und lösten sich die Bande des Zusammenhaltens. Die Zeiten wurden ruhiger, die Waffen in den Winkel gestellt. Wer weiß, wo die Neuenh. Kanonen und Mörser rosten? An die glänzende Ausstattung der Musik erinnern noch zwei ……. Trompeten, die in der Sakristei unserer Pfarrkirche aufgehängt sind. Ihre letzten Träger waren die Dorfhirten, die damit ihrem Völklein das Zeichen zum Austreiben gaben. – Somit ist das zum Stich- und Losungswort unserer Vorfahren im Schützendienst, das da„wehrhaft“ lautete, hinfällig geworden. Aber keine Ungunst der Zeiten darf das andere Wörtlein „ehrbar“ vergessen machen! Diese Mahnung ist hauptsächlich an die jüngeren Mitglieder unserer Gesellschaft gerichtet. Wir sind zwar nicht mehr Krieger und Beschützer unserer Heimat, unser Gott ersinnen ist nur noch gesellschaftlicher Natur. Aber der Glanz nach außen wird gewahrt bleiben, wenn jeder sich dieses eine Wörtchen zur steten Richtschnur seines Handelns wählt. So wollen wir denn heute das Andenken der alten Tage festlich begehen. Bevor wir aber von dieser Stätte scheiden, (hätte sollen der kl. Kirchhof sein) wollen wir unsere Gefühle ausklingen lassen: einem kräftigen Hoch. Die Neuenheerser Schützengesellschaft und die mit ihr verbrüderten Nachbarkompagnien mögen sich im Geist der alten Zeit erneuern, mögen wachsen, blühen und gedeihen.

Sie leben hoch, hoch, hoch!  (W. O. Mai 93)

 

Besondere Naturereignisse in Kühlsen

20. Juni 1893

Wir haben seit Monden eine Dürre zu ertragen, daß sich alte Leute einer ähnlichen Zeit nicht zu erinnern vermögen. Seit März etwa 3 schwache Regenschauer, täglich aus wolkenlosem Himmel die glühenden Sonnenstrahlen, eine sich gleich bleibende hohe Tagestemperatur, nachts und morgens kein Tröpfchen Tau: wen mag es Wunder nehmen, daß Sommerkorn und Gemüse verkümmern, daß es sich nicht lohnt, die Sense auf die Wiese zu bringen, daß die Abhänge der Kalksteinhügel, sonst die reichgiebigste Weide der Schafe und Rinder, wie gedörrt und abgeschreut aussehen! Gestern Abend gegen 10 Uhr zogen zwei Gewitter heran, eins von Westen her übern Steinberg, das andere die Öse bergauf, aber es schien, als ob die Naturgewalten schon anderswo im gewaltigen Ringen ihre Kräfte verspielt hatten. Ein paar matte Donnerschläge, ein dünnes Schäuerchen, etwa wie man eine Hand voll Sand durch ein Sieb streuen mag, das war alles. –

Lümpkers Grete, die mit ihrem Ehrherrn, dem alten Sander, oben in den Schonungen die Kühe der Forstbeamten hütet, sagt: „Worüm hätt se den Biddag verliärgt, innen Hiärwest unn Winter isset Bidden vürbeu, dänn mot ma den Summer vertehren. Saige woll, datt iß de Strafe Guordes.“ Ähnlich urteilt das Volk überhaupt.

In der Nacht vom 22. auf den 23. Juni beglückte uns ein durchdringender Regen. Am Nachmittage des 23., gegen ½ 4 Uhr setzte er wieder ein und wird voraussichtlich noch einige Stunden anhalten und eine Wendung der Dinge herbeiführen. Deshalb sieht man überall in Haustüren und Fenstern glückliche Gesichter.

Im Juli und August war wieder dürre Zeit, die sich nur nicht in so schädigender Weise bemerkbar machte. In der Erntezeit läßt man sich ja den Sonnenbrand schon gefallen. Doch wird der Regenmangel anderswo fühlbar, in den Brunnen des Ortes, hauptsächlich den im oberen Dorfe gelegenen. 25. 26. 27. August Regenwetter. – Desgl. am 29. 30. und 31.

Am Mittwoch, dem 16. August 1893, fand die Schulprüfung durch den Kreisschulinspektor statt.

Ein Bild unsers Kaisers Wilhelm II. traf am 27. August hier ein und wurde am folgenden Tage aufgehängt. Dasselbe ist durch die Gemeinde beschafft und vom Buchhändler Fr. Quick in Warburg besorgt. Preis:

Anfang Februar 1894 herrschte über 14 Tage lang mit geringen Unterbrechungen ein großes Stürmen. In der Nacht vom 11. zum 12., sowie an letztem Tage fielen im Kirchberge 165 ausgewachsene Buchen entwurzelt nieder. Die Bäume stehen schon sehr dünn, denn es ist mehrere Jahre dort Holz geschlagen. Jeder Fall ist von dumpfem Krachen begleitet. In der Nacht hört sich solches grausig an. Dazwischen das Krächzen der Eulen und Käuzchen: ein schönes Nachtbild, aber nichts für Leute mit damenschwachem Nervensystem. –

Man liest in den Tagesblättern täglich von ähnlichen Stürmen, die allerorts geherrscht haben, von untergegangenen Schiffen, zerstörten Häusern und Ähnlichem. In Herbram wurde am Fastnachtsdienstag das Strohdach des dortigen Bauernwirtshauses abgehoben und zur Erde geworfen. Solche Dächer, die also auch ihre Nachteile haben, gab es vor 20 – 30 Jahren auch hier durchgehends. Ziegeldächer halten zwar nicht so warm, dafür ist aber auch der etwaige Schaden an abgeworfenen Ziegeln nicht so groß.

Vor Jahren hatte ein gewisser Kreisrichter Klocke („Gestorben als Landgerichtsgraf in Danzig.“;spätere Anmerkung vom Lehrer Oeke), der mehrere Jahre auf dem Dringenberge am dortigen Amtsgericht angestellt gewesen war, in die sattgrüne Rinde einer Buche hart am Wege nach Neuenheerse, (ein paar Schritte über dem ersten Querholzwege,) seinen sowie den Namen seiner damaligen Braut, Josephine Sinen, geschnitten. Jeder Kirchgänger pflegte unwillkürlich seinen Blick auf die vernarbten Schriftzeichen zu richten. Auch dieser Baum ist gefallen, und mit einer gewissen Wehmut sieht man die leere Stelle ….. –

Auch in diesem Jahre brachten März, April und Mai wieder große Dürre. Im Juni aber gabs Regen übergenug. Am 8., 9., 10., 11., 12., 13., 14. u. 15 war Regenwetter. Dagegen brachte die letzte Juniwoche nachhaltige Wärme.