Aus der Schulchronik von Kühlsen

Der erste Eintrag entstand zwischen 1877 und 1880, nachdem die Schule 1845 erbaut worden war. Der damalige Lehrer Wewer schrieb zur Gründung des Ortes:

 

„Wie und wann der Ort gegründet, kann ich nicht angeben, da mir einerseits keine urkundlichen Schriftstücke darüber vorliegen, andererseits die ältesten Leute im Orte weder sich dessen zu erinnern vermögen, noch von ihren Vorfahren haben davon erzählen hören.“

 

Zur Lage des Ortes schrieb Lehrer Wewer:

„Kühlsen ist ungefähr der Mittelpunkt zwischen den Eisenbahnstationen Driburg und Willebadessen. Die Lage ist romantisch. Mit wenigen Unterbrechungen ist der Ort ringsum von waldigen Höhen umkränzt, die ein üppiges Mannigfach von Laub- und Nadelhölzern bilden. Das Thal, in welchem der Ort ruht, hat eine mäßige Ausdehnung und wird im Westen von dem Stejn- und Kirchberge, im Osten vom Dörenberge und Riedholze begrenzt. Die Süd- und Nordseite dieses Thalkessels sind nicht  vollständig bewaldet und führen in sanfter Neigung auf ziemlich offene, unebene Felder.

 

Da, wo die bewaldeten Höhenzüge Riedholz und Dörenberg, östlich von Kühlsen dicht gegeneinandertreten und dabei schroff in die Tiefe herabfallen, bilden sie ein kleines Bergthor und erlauben daselbst dem kleinen Bache „Ellern“ den Durchfluß; der „Ellern“ erreicht dann schon nach etwa 5 Minuten unterhalb des Ortes Dringenberg das Ziel der Vereinigung, die Oese.

 

Durch das Bergthor Riedholz – Dörenberg führt auch die Chaussee nach Dringenberg. Politisch gehört Kühlsen zum Amte Dringenberg (im Kreise Warburg, Reg.-Bezirk Minden).

 

Ableitung des Namens. Da Kühlsen inmitten von uralten Waldbäumen gekrönten Bergeszügen, aus welchen auch viele Quellen hervorsprudeln, von Natur eine schattige und kühle Lage hat; so kann man wol annehmen, daß das Wort „Kühlsen“ von dem Worte „kühl“ entstanden ist. (Diese meine Ansicht ist aber meines Wissens durch etwas Anderes nicht verbürgt!)

 

(Spätere Anmerkung vermutlich des Lehrers Oeke:

Sollte der Name Kühlsen(oder Kuilßen) nicht vielmehr herkommen vom celtischen Cuil = Wasser? Wer das völlig umteichte, wasserreiche Kühlsen früher gekannt, möchte das wohl annehmen.)

 

Umfang und Seelenzahl. Kühlsen zählt gegenwärtig: sechsundzwanzig Feuerstellen und einhundert und vierzig Seelen.

 

Beschäftigung der Bewohner. Die Bewohner betreiben hauptsächlich Ackerbau und Viehzucht; auf letztere kann man besonderes Gewicht verlegen, da der Ort gute Wiesen hat, die wol den (spätere Anmerkung, vermutlich Oeke: Es sind nur wenige Wiesen vorhanden. Schweinezucht blüht) Theil der gesammten Grundbesitzungen ausmachen; zudem haben die Waldungen viel Hütegras, das für einen niedrigen Preis gepachtet werden kann.

 

Diejenigen Leute, welche mit Hornvieh ackern, treiben meistens von Frühjahr bis Herbst das Vieh zur Nachtzeit in den Wald; auch die Pferde lässt man nicht selten des Nachts im Walde weiden.

 

Neben Ackerbau und Viehzucht wird die Leinenfabrikation stark betrieben: fast in jedem Hause steht ein Webstuhl. Der –Handwerkerstand- ist wegen der geringen Bevölkerung spärlich vertreten: es wohnen hier ein Schneider- und ein Zimmermeister (außer den Leinwebern).

 

Eigentliche Tagelöhner gibt es hier wenig; Tagelöhner können hier überhaupt schwerlich Beschäftigung und Verdienst finden, weil hier Jedermann Eigenthum besitzt, das er gut ohne fremde Hülfe selbst bewirtschaften kann. Die Leute sind mehr auf sich selbst angewiesen- und die, welche vom Acker allein nicht leben können, betreiben nebenbei die Leinenweberei; im Winter gehen etliche zum Holzhauen.

 

Über die kirchlichen und politischen Verhältnisse aus damaliger Zeit (gemeint ist die Zeit weit vor 1850) schreibt der Lehrer Wewer:

Kühlsen gehörte früher zum Stifte Neuenheerse, obschon es naturgerecht (kirchlich) besser zu Dringenberg passt. Ist doch der Kirchberg, der beim Kirchgange nach Neuenheerse überklommen, noch heute von den Ersteigern (dieses Berges) verwünscht wird, - eine gar zu natürliche und schroffe Grenze zwischen Neuenheerse und Kühlsen. Man sagt hier, es habe ein Fürstbischof von Paderborn, der auf Dringenberg gewohnt, mit der Abtei Neuenheerse die „Oese“ als kirchliche und politische Grenze ihrer gegenseitigen Besitzungen festgestellt; auf diese Weise soll Kühlsen zu Neuenheerse gekommen sein. Die Kühlser sollen überhaupt die Lieblinge der Abtei Neuenheerse gewesen sein. Mußte z. B. Jemand aus Kühlsen Soldat werden, dann wurde er vom Stifte Neuenheerse freigekauft.

 

Eine Äbtissin von Neuenheerse soll einst mal gesagt haben, „Sie wolle um Kühlsen und Altenheerse einen seidenen Faden ziehen und denjenigen sehen, der es wagen würde, den Faden durchzureißen“. Jeder der in Kühlsen ein eigenes Haus besaß, hatte das Recht, aus den klösterlichen Waldungen seinen Bedarf an Brenn- und Bauholz umsonst zu nehmen. Wurde aber eine Eiche gefällt, dann musste an deren Stelle eine junge Eiche wieder gepflanzt werden. Brennholz erhielt jeder eine bestimmte Anzahl Klafter und die davon abgefallenen Reiser für den Hauelohn. Für die Berechtigung, den nöthigen Holzbedarf gegen vorherige Anmeldung und Erstattung der Hauekosten unentgeltlich holen zu dürfen, mussten die Kühlser (aus jedem Hause wenigstens einer) alljährlich dem Kloster Neuenheerse 5 Tage Ackerdienste leisten. Die Neuenheerser und Altenheerser bekamen dann Mittags Gemüse und Fleisch; ein bestimmtes Quantum Bier wurde ihnen zugemessen. Die Kühlser bekamen dagegen nebst Gemüse und Fleisch - auch noch Suppe – und Bier, soviel sie trinken wollten. Vor nicht langer Zeit, als das Kloster noch existierte, bot man der Gemeinde Kühlsen den Kirchberg und noch andere naheliegende Waldungen zum Besitze an mit der Verpflichtung, einen Förster darauf zu halten. Die Gemeinde, die damals den Vorsteher Breker hatte, wies aber das Anerbieten ohne Weiteres zurück. Hätte Kühlsen das schöne Geschenk angenommen, dann wäre die Gemeinde jetzt eine wohlhabende; die Besoldung eines Försters und der ohnehin freie Holzbedarf hat die Leute wahrscheinlich so bethörend zurückgehalten. Wären die Kühlser nicht Lieblinge eines Neuenheerser Klosters gewesen, wären sie dann nicht vielleicht weiter gekommen? Sicher!-! Es sollen insgesammt über 300 Morgen Waldungen gewesen sein, die das Kloster Neuenheerse der Gemeinde Kühlsen angeboten hat.

 

Spätere Anmerkung, vermutlich von Lehrer Oeke: „400 Morgen auf Hängen und Strängen. Das Kloster (!) – (Stift) – hat das Anerbieten nicht gemacht. Das ist geschehen in der Übergangszeit, und hätte sich die Übertragung durch die Schreiberkniffe allerdings wohl bewerkstelligen lassen können.

 

Anmerkung des Verfassers Jörg Glunz: Mit „Übergangszeit“ ist wohl die Zeit zwischen 1803 und 1811 gemeint, in der das Stift Heerse säkularisiert und schließlich aufgelöst wurde.

 

Lehrer Wewer schreibt weiter:

Allen diesen schönen Vergünstigungen ist die Gemeinde verlustig geworden. Das „Bau-Holzrecht“ hat man verjähren lassen und dann, als es zu spät war, unnütze Prozesse geführt. Für Hudeberechtigung im Walde ist man (mit ca. 1.000 Mark) abgefunden worden. Für die „Brennholz-Berechtigung“ ist man ebenfalls abgefunden worden.

 

Bemerkenswerte Örtlichkeiten und Ereignisse. Wol fünf (5) Stunden weit im Umfange von Kühlsen sind wol bei gewissen Veranlassungen die Sprichwörter gebräuchlich: „Ist so groß, wie die Kühlser Taufe“ und „Nach Kühlsen geht ja kein Weg“. Als Filiale des Pfarrdorfes Neuenheerse hat Kühlsen selbstredend keinen Taufstein. Nun liegt in der Richtung nach Willebadessen auf dem sog. „alten Felde“ ein Ackerplan, der in seiner Vertiefung eine große Wasserfütze hält, so daß der Acker theilweise unter Wasser steht. Dieser sumpfige Acker wird von den Kühlsern mit dem Namen „Dauge“ „Up där Dauge“ bezeichnet. Wahrscheinlich knüpft sich an diesen Ort eine Taufhandlung aus früheren Zeiten, die sich (allerdings auf eine in Spott übergegangene Weise) im Munde des Volkes erhalten hat. Die Kirche zu Altenheerse soll von Karl dem Großen (reg. Von 768-814 n. Ch.) erbaut worden sein. Wenn dem so ist, kann es auch ganz gut wahr sein, daß Karl d. G. an jenem Orte, der jetzt den Namen „Dauge“ führt, hat einmal taufen lassen.

 

Spätere Anmerkung, vermutlich von Lehrer Oeke: (Die jetzige Altenheerser Kirche ist ein) „einschiffiger romanischer Bau aus der Zeit 1150-1200.“

 

Lehrer Wewer schreibt weiter: Auch geht noch unter den Leuten die Sage, daß die Heiden aus dem Hessenlande gekommen wären und sich hätten taufen lassen. Die Kühlser Wege sollen früher fast unfahrbar gewesen sein; im Orte selbst war alles sumpfig und Morast. Kamen Leute von Neuenheerse, die nach Dringenberg oder noch weiter wollten, so blieben sie, weil sie den Weg nicht weiter wußten, vor Uhen Hause stehen. (Haus-No.: 10b.) Dort stand das ganze Jahr hindurch eine Wasserlaache. (Daher auch der Hausname Peulmejjer). Man beschied die Leute dann, indem sie über dicke Steine, welche in dem Schlamme lagen, hüpfen mussten, durch die hohle Gasse über Haus-No.: 10a zu gehen; (10a ist Jakob, vulgo Hennerkesmeyer).